Heinz Rothgang zur Entwicklung der Heimpflegekosten: Eine zunehmende Belastung für Pflegebedürftige

Die Pflegebedürftigkeit in Deutschland nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Parallel steigen auch die finanziellen Belastungen für Betroffene, insbesondere im stationären Bereich. Zu den zentralen Stimmen, die diese Entwicklung wissenschaftlich begleiten, gehört der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen. Er hat in zahlreichen Studien auf die strukturellen Probleme des Pflegesystems hingewiesen und Lösungen skizziert, um langfristig eine sozial tragbare Versorgung sicherzustellen.

Ein kontinuierlicher Anstieg: Heimpflege wird teurer

Prof. Rothgang betont in aktuellen Aussagen, unter anderem in einem Gespräch mit dem ARD-Format tagesthemen (Quelle: Tagesschau), dass die Eigenanteile für die stationäre Pflege in den letzten Jahren stark gestiegen sind. Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) lag der durchschnittliche Eigenanteil für einen Pflegeheimplatz im Jahr 2017 bei etwa 1.750 Euro pro Monat. 2024 liegt er bereits bei rund 2.500 Euro – ein Plus von über 40 Prozent in sieben Jahren.

  • Pflegekosten machen inzwischen mehr als die Hälfte der Durchschnittsrente aus.
  • Selbst Menschen mit jahrzehntelanger Berufstätigkeit geraten an die Belastungsgrenze.
  • Viele Angehörige müssen finanziell unterstützen – was insbesondere untere Einkommensgruppen zusätzlich belastet.

Strukturelle Ursachen der Kostenexplosion laut Rothgang

In seiner wissenschaftlichen Analyse nennt Rothgang mehrere Gründe für das Kostenwachstum im Pflegebereich:

  • Fachkräftemangel: Der zunehmende Personalmangel in der Pflegebranche führt zu höheren Lohnkosten.
  • Tarifbindung: Die politisch gewollte Einführung flächendeckender Tariflöhne verbessert die Arbeitsbedingungen, erhöht jedoch auch die Ausgaben der Träger.
  • Demografischer Wandel: Immer mehr Menschen benötigen Pflegeleistungen, was zu höheren Gesamtkosten führt.
  • Begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten: Die Pflegeversicherung ist nur eine Teilkostenversicherung. Zuzahlungen bleiben unvermeidbar.

Rothgang kritisiert dabei nicht die verbesserten Löhne in der Pflegebranche – im Gegenteil: Diese seien notwendig und verdient. Doch ohne eine Reform auf Systemebene werde die Belastung für Pflegebedürftige weiter steigen.

Pflegeversicherung am Scheideweg

Bereits 2021 warnte Rothgang im Rahmen seiner Aktivitäten im Bremer SOCIUM-Forschungszentrum vor den Fehlanreizen im bestehenden System. Eine echte Finanzreform fehle bis heute. Die Einführung von Leistungsdeckeln auf Seiten der Pflegekassen sowie steigende Heimkosten führen zu einer zunehmenden sozialen Ungleichheit im Zugang zu qualitativer Pflege.

Im Interview mit der Tagesschau (Quelle) fordert Rothgang eine Umgestaltung der Pflegeversicherung hin zu einer echten solidarischen Vollversicherung. Die derzeitige Begrenzung auf Teilkosten führe in der Realität zu erheblichen Zuzahlungen, die soziale Sicherheit untergraben.

Kurzfristige und langfristige Maßnahmen

Aus wissenschaftlicher Sicht nennt Rothgang folgende Empfehlungen, um den Finanzierungskollaps in der stationären Pflege zu verhindern:

  • Einführung einer Pflegevollversicherung zur Entlastung der Eigenanteile
  • Bundesweit einheitliche Qualitäts- und Kostenstandards, um Transparenz zu schaffen
  • Stärkere Umverteilung zur Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen
  • Öffentliche Debatte über Pflegefinanzierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Politisch ist jedoch bislang wenig Bewegung zu erkennen. Rothgang mahnt eindringlich, dass ohne Reformen der Zugang zur stationären Pflege zunehmend von der finanziellen Ausgangslage abhängen werde – ein Zustand, der sozialpolitisch nicht haltbar sei.

Schlussfolgerung: Ohne Reform bleibt Pflege ein Armutsrisiko

Die Ausführungen von Heinz Rothgang machen deutlich, dass wir uns in Deutschland an einem kritischen Punkt der Pflegepolitik befinden. Die steigenden Heimpflegekosten treffen weite Teile der Bevölkerung spürbar. Ohne strukturelle Anpassungen der Finanzierungslogik droht Pflegebedürftigkeit zum Armutsrisiko zu werden. Rothgang gibt dabei keine politischen Parolen aus, sondern legt evidenzbasiert dar, welche Schritte notwendig wären, um ein solidarisches Pflegesystem dauerhaft zu sichern.

Weitere Einzelheiten und das vollständige Interview mit Prof. Heinz Rothgang finden Sie unter: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1488894.html


Kurzfassung

  • Die Kosten für stationäre Pflege in Deutschland sind stark gestiegen.
  • Prof. Heinz Rothgang kritisiert die unzureichende Finanzierung durch die Pflegeversicherung.
  • Ursachen sind u.a. höhere Löhne, Fachkräftemangel und stärkere Tarifbindung.
  • Rothgang fordert eine Pflegevollversicherung zur sozialen Absicherung aller Betroffenen.
  • Ohne Reformen wird Pflege für viele Menschen unbezahlbar – der Zugang zur Pflege droht sich zu sozialisieren.

Quelle: tagesschau.de

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