Die Bedeutung der Pflege für unsere Gesellschaft – Einblicke von Prof. Dr. Stefan Sell

Pflege ist in Deutschland mehr als ein Beruf – sie ist ein zentrales gesellschaftliches Thema, das zunehmend politische, wirtschaftliche und soziale Relevanz erfährt. Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz gilt als eine der profiliertesten Stimmen in der pflegepolitischen Debatte. In seinen Analysen und Beiträgen – unter anderem in einem Interview mit der Tagesschau (Quelle) – betont er eindringlich die strukturellen Herausforderungen, aber auch die Chancen, die im deutschen Pflegesystem liegen.

Pflege in der Krise – oder System in der Dauerbelastung?

Stefan Sell verweist darauf, dass es sich bei der aktuellen Situation nicht um eine kurzfristige Krise handelt, sondern um ein chronisches Strukturproblem. In Deutschland wächst die Zahl pflegebedürftiger Menschen kontinuierlich – laut Statistischem Bundesamt wird sie bis 2050 voraussichtlich auf über 6 Millionen steigen.

Daraus ergibt sich eine doppelte Herausforderung:

  • Die Zahl der Pflegekräfte wächst nicht im gleichen Tempo.
  • Pflegeberufe gelten oft als unterbezahlt, körperlich und emotional belastend.

Die Folge: Es fehlt an Nachwuchs, viele Fachkräfte verlassen den Beruf frühzeitig oder wechseln in andere Branchen.

Strukturelle Defizite – Ein systemisches Problem

Im Gespräch mit der Tagesschau erläutert Prof. Sell, dass Pflege nicht allein durch individuelle Motivation aufrechterhalten werden kann. Vielmehr müsse die strukturelle Basis überdacht werden:

  • Unklare Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen
  • Mangel an langfristig geplanter Finanzierung
  • Dominanz privater Anbieter unter Gewinnorientierung

Diese Faktoren führen dazu, dass pflegebedürftige Menschen nicht die Unterstützung erhalten, die sie benötigen – und Pflegekräfte nicht die Bedingungen vorfinden, die sie verdienen.

Lösungsansätze: Was Prof. Sell fordert

In verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen und Medienbeiträgen spricht sich Professor Sell für grundlegende Reformen aus:

  • Ein nationaler Personalschlüssel, der bundesweit verbindlich ist
  • Eine Umstrukturierung der Pflegeversicherung hin zu einem staatlich organisierten Solidarsystem
  • Deutliche Lohnsteigerungen, insbesondere im Bereich der Altenpflege
  • Weniger Bürokratie – mehr Zeit für Pflegearbeit

Er plädiert für eine öffentliche Debatte über die Frage: Wieviel ist der Gesellschaft eine menschenwürdige Pflege wert?

Pflege als gesellschaftliche Aufgabe

Nicht nur Politik und Wirtschaft sind gefordert – auch die Gesellschaft selbst muss sich mit der Realität der Pflege intensiver auseinandersetzen. Prof. Sell sieht in der Pflege eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die nicht an Marktlogik oder kurzfristiger Effizienz ausgerichtet sein darf. Ähnlich äußerte er sich auch in der vorgenannten Sendung der Tagesschau.

Dabei geht es nicht nur um bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch um ein neues Verständnis der Pflegearbeit als essentielle Säule des Gemeinwohls – sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich.

Ein kritischer Blick auf die Realität

Ein zentraler Punkt in Sells Argumentation ist der Realitätsbezug: Pflege ist kein abstraktes Thema mehr, sondern betrifft bereits heute Millionen von Familien direkt. Pflegekräfte berichten regelmäßig von Überlastung, fehlenden Kolleginnen und Kollegen und einer schwindenden Attraktivität des Berufsbildes.

Gleichzeitig zeigen Studien (z. B. Bertelsmann Stiftung oder Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), dass es auch erfolgreiche Modellprojekte gibt – etwa in Skandinavien –, die Pflege nicht nur als Sozialleistung, sondern auch als Teil moderner Daseinsvorsorge verstehen. Für Sell sollten solche Modelle als Orientierung dienen.

Fazit: Pflege braucht Reform – kein Weiter-so

Die Argumente von Prof. Dr. Stefan Sell zeigen klar, dass die Herausforderungen in der Pflege nicht isoliert, sondern systematisch betrachtet werden müssen. Pflegepolitik ist Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Gesundheits- und Bildungspolitik zugleich.

Ein struktureller Wandel ist notwendig, damit Pflegekräfte entlastet, pflegebedürftige Menschen gut versorgt und Angehörige unterstützt werden können. Dies erfordert politischen Mut sowie gesellschaftliches Umdenken.

Die vollständige Analyse von Prof. Sell finden Sie in der Sendung der Tagesschau.

Zusammenfassung der zentralen Punkte

  • Stefan Sell sieht in der Pflegepolitik ein strukturelles Versagen – kein kurzfristiges Problem.
  • Deutschland steuert auf eine Versorgungslücke zu, da die Zahl der Pflegekräfte zu langsam wächst.
  • Sell fordert ein Umdenken im Pflegesystem: mehr Lohn, bessere Bedingungen, klare Verantwortungen.
  • Pflege muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, nicht dem Markt überlassen bleiben.
  • Ein funktionierendes Pflegesystem braucht politische Reform und das Engagement aller Akteure.

Quelle: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1466088.html

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert