Keine Kraft mehr zum Kämpfen: Sterbehilfe aus Sicht einer Pflegekraft Wie weit geht unser Recht auf einen selbstbestimmten Tod? Dürfen Angehörige, Mediziner und Sterbehilfe-Vereine uns bei der Selbsttötung unterstützen? Diese Fragen werden in Deutschland seit Jahren diskutiert. Ein aktuelles Urteil entfachte die Debatte neu. Wie denken Pflegekräfte darüber, die tagtäglich schwer kranke Menschen betreuen?

Bundesverfassungsgericht fordert Neuregelung

Bisher galt in Deutschland: Geschäftsmäßige Sterbehilfe ist strafbar, es drohen bis zu 3 Jahre Haft. Sterbehilfe-Vereine oder auch Mediziner dürfen Schwerstkranken mit Todeswunsch kein Medikament für den Suizid bereitstellen.

Dies sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, stellten die Verfassungsrichter nun fest, und erklärten die seit 2015 geltende Regelung des § 217 StGB für nichtig. Jeder habe das Recht, selbst über sein Sterben zu entscheiden und dazu Angebote Dritter wahrzunehmen. Justizministerin Christine Lamprecht strebt eine Neuregelung noch vor der nächsten Bundestagswahl an. Wie diese genau aussehen wird, ist noch unklar.

Wir haben eine Pflegekraft nach ihrer Meinung dazu befragt. Sie schilderte uns ihre Erfahrungen.

Das Leid täglich vor Augen

„In den Medien wird ja viel diskutiert: über würdevolles Sterben, und dass Sterbehilfe nicht ethisch sei. Oder dass Schwerstkranke sagen könnten, sie wollten sterben, nur um niemandem mehr zur Last zu fallen.

Ich verstehe das ja. Aber die Leute, die darüber entscheiden wollen, haben oft gar keine Vorstellung davon, wie es den Betroffenen dann tatsächlich geht.

Ich als Pflegekraft sehe das Leid von Menschen, die am Ende ihres Lebens unheilbar krank und komplett auf fremde Hilfe angewiesen sind. Oft sind sie bettlägerig, müssen gewaschen und gefüttert werden. Zur Toilette können sie auch nicht mehr allein gehen. Manche haben auch noch starke Schmerzen. Die meisten Pflegekräfte geben ihr Bestes, um ihnen das Leben zu erleichtern, so gut es geht. Einige reiben sich regelrecht auf. Aber wir können nicht den ganzen Tag bei ihnen sein. Und es geht ja auch um die Lebensqualität. Wenn man ans Bett gefesselt ist, und fast nichts mehr selbst machen kann, hat man wirklich keine Freude mehr am Leben.

Für die Angehörigen ist es auch schwer. Die meisten kommen so oft her, wie sie können. Wenn sie arbeiten, und vielleicht noch Kinder haben, ist das natürlich belastend. Oft ertragen sie es kaum, mit anzusehen, wie ein Mensch, den sie lieben, dahinsiecht.

Viele quälen sich bis zum Schluss. Tiere haben es da einfacher. Und wenn sie uns sagen, dass sie nicht mehr leben wollen, können wir ihnen nicht helfen. Ich denke: Wenn es wirklich keine Chance mehr gibt, dass jemand wieder gesund wird, oder dass es ihm besser gehen könnte, soll man ihn gehen lassen.

Bis zum bitteren Ende

Ich habe einen Herrn gepflegt, der bettlägerig war und künstlich beatmet wurde. Dadurch konnte er auch nicht mehr sprechen. Er war schon lange Zeit schwer krank. Irgendwann schrieb er auf einen Zettel, dass er einfach keine Kraft mehr habe, zu kämpfen. Dennoch musste er es ertragen bis zum bitteren Ende.

Wenn jemand sich bis zuletzt so quälen muss, sollte man ihn nicht zwingen, weiterzuleben. Wo bleibt denn da die Menschenwürde?“

Diese Pflegekraft befürwortet eine Neuregelung. Wie denken Sie darüber?